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Rhein-Ruhr-Express: Interview mit VRR-Mitarbeiter Georg Seifert (Teil 1)

31.03.11 (Allgemein) Autor:Jürgen Eikelberg

Georg Seifert (37) ist beim Verkehrsverbund Rhein-Ruhr für die Durchführung von Wettbewerbsverfahren zuständig. Mit dem Eisenbahnjournal Zughalt.de sprach er über den Rhein-Ruhr-Express, Wettbewerbsplanungen im VRR und die künftige Verkehrssituation.

Fangen wir an mit der anstehenden Neuausschreibung der Haardachse. Hier sind 300.000 Zugkilometer zusätzlich im Jahr vorgesehen, dadurch dass neben RE 2 und RB 42 auch ein neuer RE 42 eingeführt werden soll. Wie können diese Mehrleistungen finanziert werden?

Im Rahmen der Ausschreibung werden zwei Leistungen zwischen Münster und Essen gefordert. In der HVZ soll es weiterhin Verstärker zwischen Haltern und Essen geben. Der RE 42 wird auf dieser Relation die bisherige RB 42 ersetzen und nach Mönchengladbach verlängert werden. Er wird daher den Laufweg und die Fahrplanlage des alten RE 2 erhalten, den es bis zur Einführung des neuen RE-Konzeptes im Dezember vergangenen Jahres gegeben hat.

Hintergrund ist, dass die heutige Linie RE 11 im Zusammenhang mit dem RRX betrachtet werden muss. Im Rahmen der Teilnetzplanung war es das Ziel, Linien mit und ohne RRX-Bezug zu separieren, so dass wir die Leistung Essen – Mönchengladbach jetzt zur Haardachse zufügen.

Im NWL-Nahverkehrsplan ist die Rede von einer dritten stündlichen Leistung zwischen Essen und Münster.

Das ist sicher ein erstrebenswerter Wunsch der Verantwortlichen im Bereich Westfalen-Lippe, der auch vom VRR unterstützt wird. Es ist allerdings nicht Gegenstand der Ausschreibung der Haardachse für Dezember 2014, da eine Finanzierung nicht gesichert ist.

Ist es geplant, einen schnellen und einen langsamen Zug zwischen Essen und Münster fahren zu lassen? Welcher Zug wird welche Zwischenhalte bedienen?

Es gibt heute schon kaum Unterschiede bei den Unterwegshalten der Linien RE 2 und RB 42, einzig die Station Recklinghausen-Süd wird vom RE 2 nicht bedient. Und das soll so bleiben, die Orte zwischen Essen und Münster haben allesamt ein enormes Pendlerpotential und zwei Zugpaare in der Stunde sind da durchaus gerechtfertigt.

Die Namen der Orte lassen vielleicht fälschlicherweise darauf schließen, dass da nichts los sei – aber da ist sogar eine Menge los und deswegen möchten wir die Anbindung an den SPNV weiterhin gewährleisten. Dadurch werden ab Dezember 2014 Direktzüge nach Münster, ins mittlere und westliche Ruhrgebiet, an den linken Niederrhein und nach Düsseldorf angeboten.

Wie sieht es mit der Fahrplantrasse der Linien RE 2 und RE 11 aus? Wird die bleiben?

Ja.

Das bedeutet, dass der RE 2 auch weiterhin wenige Minuten nach dem RE 6 in Düsseldorf starten wird und bis Essen fast im Windschatten fährt?

Wir haben dort sehr viele Konflikte mit anderen Verkehren. Die Betriebsstabilität ist heute schon nicht optimal, aber sie würde bei einer anderen Fahrplanlage noch schlechter werden. Deshalb hat man sich im Rahmen des neuen RE-Konzeptes entschlossen, eine Halbstundendrehung vorzunehmen und auch beizubehalten.

Was die Nachfrage betrifft, so sind wir sicher noch nicht bei hundert Prozent dessen, was man erwartet. Allerdings sind die Fahrten zur Hauptlastzeit sehr hoch nachgefragt, vor allem auch auf der Relation Münsterland / Recklinghausen nach Düsseldorf. Da sind auf einmal ganz andere Leute im Zug, die man vorher nicht hatte, teilweise wahrscheinlich auch abgewandert vom Fernverkehr.

Auch vom Auto?

Hoffentlich!

Kommen wir zum nächsten Schritt, zur Betriebsaufnahme im Dezember 2016. Im jüngst geplatzten Verkehrsvertrag von 2009 ist vorgesehen, die Linien RE 1 und RE 11 bzw. die Linien RE 5 und RE 6 gemeinsam für diesen Zeitpunkt auszuschreiben. Bleibt es dabei?

2016 war und ist die Planung – nach dem Vertrag von 2003/2004, wie auch nach dem Vertrag von 2009. Die Linie RE 5 ist jetzt aber wieder bis Ende 2017 gebunden. Damit ist die Vertragslaufzeit nicht so harmonisch, dass man alle Linien zu diesem Zeitpunkt in den Wettbewerb überführen kann. Wir sind aber bestrebt, im Rahmen der Verhandlungen mit der Deutschen Bahn eine Lösung zu finden.

Eine frühere Wettbewerbsüberführung hätte keinen Sinn. Wir brauchen Neufahrzeuge nach RRX-Standard. Da ist ein entsprechender Vorlauf zwingend von Nöten. Wenn man jetzt mit diesen Anforderungen auf den Herstellermarkt geht, dann wäre es unrealistisch, eine frühere Betriebsaufnahme anzustreben. Das würde die Waggonbauindustrie auch nicht leisten können.

Sie meinen Stadler Kiss für den RRX?

Wir gehen nicht zum Händler und kaufen Fahrzeuge, sondern wir wollen auch bezogen auf das Rollmaterial fairen Wettbewerb unter den Herstellern haben. Es wäre tödlich, wenn man von Anfang an einen bestimmten Typ fordert. Bombardier bietet ebenfalls Doppelstocktriebzüge an, auch Siemens hat erkannt, dass hier ein großer Markt entsteht und will mit einsteigen – wir hoffen auf möglichst viele potentielle Fahrzeugbauer, die die Anforderungen erfüllen.

Wenn der RE 6 über Düsseldorf hinaus nach Köln verlängert würde, dann müsste er – in der jetzigen Fahrplanlage – wenige Minuten nach dem RE 5 die Landeshauptstadt verlassen.

Es werden im Moment noch Varianten untersucht, aber Sie wissen ja selbst, dass beide Linien Fahrplantrassen haben, die vom Fernverkehr eingekesselt sind. Viel Spielraum bleibt da nicht – das ist ja der Hintergrund, wieso wir überhaupt einen Rhein-Ruhr-Express brauchen. Wir haben keine Trassen und wir haben zu viele Fahrplankonflikte.

Die Linie RRX 2 wird ab Dezember 2016 wieder exakt den Laufweg haben, den die alte Linie RE 11 bereits hatte. Wird die Fahrplanlage dabei in etwa beibehalten?

Ich möchte hier keine Minuten nennen, aber es wäre in etwa die Fahrplanlage des RE 11, die dann weiter bestehen würde. Wir wollen aber bei der Volleinführung des RRX irgendwelche Humpeltakte verhindern, sondern es soll einen sauberen Viertelstundentakt geben, mindestens zwischen Dortmund und Köln-Messe/Deutz.

Die Volleinführung ist ein gutes Stichwort: Sie planen ja Ausschreibungen für die Jahre bis zum endgültigen Betriebsstart des RRX. Wenn der dann kommt, sind möglicherweise noch einmal Änderungen notwendig. Wie können Sie das im Vorfeld in den Verkehrsdurchführungsverträgen festhalten?

Wir haben die Teilnetze heute schon so geplant, dass auch viele Änderungen, die sich durch den Endbetrieb ergeben, innerhalb eines Teilnetzes liegen. So soll z.B. der Südast Köln – Koblenz von der Linie RRX 5 auf die Linie RRX 6 wechseln. Der Betreiber wäre aber der gleiche.

Insgesamt würde das Angebot ja mehr werden, so dass es während des Vertrages nicht geringe Leistungsausweitungen geben könnte.

Das sind ja Ausschreibungen, die alle drei SPNV-Aufgabenträger in Nordrhein-Westfalen betreffen, im Falle des Astes nach Koblenz sitzt sogar das Land Rheinland-Pfalz mit im Boot. Es wird Ziel der Ausschreibungen sein, gewisse Anpassungsmechanismen während der Laufzeit der Verkehrsverträge im Zuge des RRX zu ermöglichen. Das ist nicht so ganz einfach, da muss man wirklich ins Kalkulationsschema gehen.

Man kann ja nicht an die EVU herantreten und sie bitten, einseitig Preise zu nennen, jenseits jedes Wettbewerbsdrucks. Das würde nicht funktionieren. Das muss man im Vorfeld absehen und in den Ausschreibungen als Option mit einführen.

Schwierigster Punkt ist dabei aber nicht die Kilometermehrleistung an sich, sondern ein Fahrzeugmehrbedarf. Wir werden auch im kommenden Jahr, wenn die Ausschreibungen beginnen, noch keinen Zeitpunkt nennen, wann der RRX kommt, ob es 2020, 2023 oder 2025 ist.

Hier bestehen auch herstellerseitig Probleme. Neue Fahrzeuge können in der Regel nicht kompatibel mit älteren gekuppelt werden. Über so einen langen Zeitraum kann man sich keine Optionen über Fahrzeugnachbeschaffung sichern. Da muss man dann als Aufgabenträger ein Stück weit ins Risiko gehen und diesen Baustein an die dann aktuelle Marktlage anpassen. Das Risiko könnte man keinem EVU zumuten. Bei heutiger Berücksichtigung bekämen wir nicht finanzierbare Angebote.

Lesen Sie morgen den zweiten Teil des Interviews. Georg Seifert wird über mögliche Linienführungen in die Niederlande, lange Zugläufe und hochwertigen RE-Verkehr jenseits des RRX sprechen.

Zweiter Teil

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