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VRR: Warum das BGH-Urteil keinesfalls zu Notfahrplänen führen wird

19.01.11 (Allgemein) Autor:Jürgen Eikelberg

Seit dieser Woche berichten verschiedene Medien von möglichen Sonder- und Notfahrplänen im VRR. Seitdem geht ein Raunen durch die Pendlermassen. Viele Menschen, die sich gerade erst vom jüngsten Winterchaos auf der Schiene erholt haben, befürchten bereits schlimmstes. Realistisch ist nichts davon. Auch nach dem BGH-Urteil wird sich für die Fahrgäste kurzfristig gar nichts ändern.

Da wurden Schreckensbilder an die Wand gemalt, dass einem ganz anders wird. Kein geregelter Fahrbetrieb mehr, nur noch eine Notversorgung mit Zügen, die man vermutlich kurz zuvor bei irgendwelchen Schrotthändlern zurück gekauft habe. Das neue RE-System würde sich ebenso wie die S-Bahn größtenteils in Luft auflösen: Es gibt zwei Worte, mit denen man diese Angstmacherei treffend bezeichnen kann: Grober Unfug!

An dieser Stelle noch einmal ein kurzer Abriss zu den Hintergründen: Der im Jahr 2009 abgeschlossene Verkehrsdurchführungsvertrag zwischen DB Regio NRW und Verkehrsverbund Rhein-Ruhr ist möglicherweise nichtig. Der Bundesgerichtshof wird am 8. Februar darüber entscheiden. Prozessbeobachter gehen davon aus, dass das hohe Gericht den Vertrag kippen wird.

Aber selbst wenn das geschehen sollte – und der Volksmund weiß, dass man auf hoher See und vor Gericht in Gottes Hand ist – würde das keine Betriebseinstellung bedeuten und auch am 9. und 10. Februar wird man in jedem Fall noch verlässlich mit dem Zug im VRR fahren können.

Wenn der BGH den Vertrag für wirkungslos erklärt, würden sich DB Regio NRW und VRR wieder auf den juristischen Stand stellen, den sie zuvor eingenommen haben. Der VRR wäre dann wieder der Meinung, dass der alte Verkehrsvertrag von 2003/2004 im Juni 2008 wirksam gekündigt worden sei. DB Regio NRW würde die Rechtsauffassung vertreten, dass die Kündigung unwirksam sei und der Vertrag regulär gelte.

Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen hat in dieser Sache bereits zugunsten der Bahn entschieden. Die Berufung, die der VRR eingelegt hat, würde dann wieder aktiv werden. Das Oberverwaltungsgericht Münster müsste sich dann mit der Sache auseinandersetzen.

Um wirklich einen „Notfahrplan“ zu fahren, müsste man bei DB Regio NRW eine juristische Grundlage dafür haben. Und die gäbe es nicht. Die würde erst existieren, wenn das Düsseldorfer Unternehmen die Kündigung des VRR anerkennen würde. Das ist aber extrem unwahrscheinlich.

Auch die neuen RE-Läufe (Münster – Düsseldorf, Mönchengladbach – Hamm, Aachen – Paderborn) ließen sich nicht so ohne weiteres auf den Stand des letzten Fahrplanjahres zurückdrehen. Die Trassen sind fest bei DB Netz angemeldet und gelten. Von heute auf morgen „zurückgeänderte“ Linien wird es schon deshalb nicht geben.

Auch auf längere Frist ist de facto nicht davon auszugehen, dass es zu größeren Ausdünnungen kommen wird. Zwar hat die Landesregierung angekündigt, in diesem Fall bereits gezahlte Sonderzuwendungen an den VRR in Höhe von 45 Millionen Euro zurückzufordern und weitere zugesagte Mittel in Höhe von 122 Millionen Euro nicht mehr auszuzahlen, eine solche Lösung ist aber realistischerweise nahezu auszuschließen.

Der VRR müsste das Geld bei seinen Trägern einfordern. Die Kreise und kreisfreien Städte sind aber in den meisten Fällen hoffnungslos überschuldet, einige müssen schon seit Jahrzehnten Nothaushalte aufstellen.

Die fehlenden zugesagten Landesmittel müssten also über geringere Zugleistungen refinanziert werden. Und spätestens, wenn der VRR der Landesregierung mit Abbestellungen „droht“, wird es auf politischer Ebene keine andere Wahl mehr geben als das Geld zu zahlen.

Es würde dann, aber das wäre eher eine Langzeitwirkung, sicher keine ET 430 mehr für das Ruhrgebiet geben. Ein eben so großes Problem dürften die dann nicht mehr harmonisierten Vertragslaufzeiten der RE-Linien sein. Hier müsste es ohnehin in den nächsten Jahren zu „kleineren“ Direktvergaben kommen. Nur so wäre es möglich, hochwertige und verbundübergreifende Linien in den Wettbewerb zu überführen.

Fazit: Es bleibt also spannend. Aber, liebe Fahrgäste, bitte machen Sie sich keine Sorgen! Um einen Werbeslogan aus der Anfangszeit der Bahnreform in den 90er Jahren zu reaktivieren: Die Bahn kommt!

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